Strategic Approach to International Chemicals Management

SAICM

– Ansatz für nachhaltiges Chemikalienmanagement

Auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 beschlossen die Staats- und Regierungschef*innen einen Mechanismus für einen nachhaltigen Umgang mit Chemikalien zu schaffen. Dieser ist vier Jahre später in Form von SAICM in Dubai ins Leben gerufen worden. SAICM war eine freiwillige Rahmenvereinbarung, deren Beschlüsse völkerrechtlich nicht bindend sind. Ziel war es, bis 2020 zu einem nachhaltigen Umgang mit Chemikalien über ihren gesamten Lebenszyklus zu kommen. Ein Ziel, das nach Meinung der Vereinten Nationen trotz Bemühungen unter SAICM nicht erreicht worden ist. Zwei wichtige Gründe hierfür waren das Fehlen verbindlicher Vorgaben und ausreichender Finanzierung.

SAICM hat trotzdem wichtige Funktionen erfüllt, da es sich faktisch mit allen Quellen der Belastung durch toxische Chemikalien befasste und international einzigartige Plattform geschaffen wurde, um über Problem im Umgang mit Chemikalien zu beraten – bestehende und neu erkannte. Der multisektorale und Multi-Stakeholderansatz war von Beginn an vorhanden. Dies ermöglichte es auch nicht-staatlichen Akteur*innen Zugang zu den Verhandlungen zu bekommen. Akteure wie das International Pollutants Elimination Network (IPEN) begleiten SAICM bereits seit der Entstehung und trugen wichtiges prozessuales und fachspezifisches Wissen in den Prozess, meist mit mehr Kontinuität als staatliche Vertreter*innen. Da alle Entscheidungen im Konsens gefällt wurden, hatten Zivilgesellschaft, aber auch Gewerkschaften und Vertreter*innen aus dem Gesundheitssektor immer Einfluss auf die Ergebnisse. Darüber hinaus wurden über SAICM begrenzte Ressourcen zum Kapazitätsaufbau in Ländern des globalen Südens bereitgestellt.

SAICM bestand aus drei Kerntexten:

  1. Die Dubai-Deklaration ist eine High-Level-Deklaration. Hierin verpflichten sich Staaten und Stakeholder, dem dringenden Handlungsbedarf zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Chemikalien nachzugehen und identifizieren, dass ein solides Chemikalienmanagement essentiell für die Nachhaltige Entwicklung ist.

  2. Die übergreifende Politikstrategie (Overaching Policy Strategy, OPS) legt den Umfang von SAICM fest, bspw. dass sich SAICM auf den ganzen Lebenszyklus von Chemikalien bezieht. In der OPS sind auch die übergeordneten Ziele bzw. Arbeitsfelder festgelegt: Verringerung des Risikos, Wissen und Informationen bereitstellen, Governance, Aufbau von Kapazitäten (zur Regulierung) und Zusammenarbeit, sowie illegales Inverkehrbringen und Handel. Außerdem werden hier die finanziellen Aspekte und der institutionelle Rahmen festgehalten.

  3. Der Globale Aktionsplan (Global Plan of Action) dient als Leitfaden für die Umsetzung und für die Implementierung von SAICM.  

Hinzu kamen drei verschiedene Institutionen

  • SAICM Secretariat ist das begleitende und organisierende Gremium. Neben der Vorbereitung von Konferenzen und Treffen machte das Sekretariat allen Stakeholdern wichtige Informationen zugänglich und unterstützte die Aktivitäten der Stakeholder.

  • International Conference on Chemicals Management (ICCM): die ICCM war das zentrale Entscheidungsgremium innerhalb von SAICM. Sie fanden im drei bis fünf Jahres Takt statt und legten das Budget sowie die Schwerpunkte fest und planten die Aktivitäten des Secretariats.

  • SAICM Bureau: Zur Unterstützung der Konferenzen wurde ein Bureau eingerichtet. Hier findet sich auch der Multi-Stakeholderansatz des Prozesses wieder. Neben Repräsentant*innen aus den 5 Weltregionen sitzen auch Verterter*innen der Zivilgesellschaft, des Gesundheitssektors und der Gewerkschaften im Bureau und bringen so die Standpunkte der jeweiligen Gruppen in das Bureau ein.

 Regionale Aktivitäten

Die Implementierung von SAICM sollte zwischen den Konferenzen auf einem nationalen und regionalen Level geschehen. Um dies zu unterstützen, sollte jede Regierung einen Nationalen Focal Point einsetzen. Diesem Focal Point kam die Aufgabe zu, den verschiedenen Stakeholdern auf einem nationalen Level zu vernetzen, Informationen bereitzustellen und die relevanten Sektoren einzubinden. Hinzu kamen auch noch Focal Points für die unterschiedlichen Stakeholdergruppen. Außerdem sollten sich Staaten und Stakeholder in Regionen zusammentun und organisieren: African Region, Asia-Pacific Region, Central and Eastern Europe, GRULAC (Group of Latin American and Caribbean Countries) and Western Europe and Others Group. Auch hier gab es für jede Region einen Regional Focal Point, der die regionalen und länderübergreifenden Aktivitäten und Vorbereitungen auf die Konferenzen koordinierte. Alles sollte der besseren Implementierung des nachhaltigen Managements von Chemikalien auf unterschiedlichen Ebenen dienen.

Da das SAICM Mandat nicht auf einen Stoff oder eine Stoffgruppe beschränkt war, wie dies bspw. bei der Stockholm oder Minamata-Konvention der Fall ist, bot SAICM einen politischen Raum um über neue bzw. als neu erkannte Probleme zu beraten. Auf den Internationalen Konferenzen zum Chemikalienmanagement wurden prioritäre und besonders dringliche Themen nominiert, die unter SAICM bearbeitet werden sollten. Als sogenannte Emerging Policy Issues and other Issues of Concern wurden Blei in Farben, Chemikalien in Produkten, gefährliche Substanzen entlang des Lebenszyklus von Elektro- und elektronischen Geräten, Nanomaterialien, Endokrine Disruptoren, Arzneimittelrückstände in der Umwelt, Polyfluorierte Chemikalien und Hochgefährliche Pestizide festgelegt. In einigen wenigen Bereichen den Anstoß zur Durchsetzung nationalstaatlicher Regulierung geführt hat. So sind heute in vielen Ländern bleihaltige Farben verboten, was direkt auf die Behandlung des Themas unter SAICM zurückzuführen ist. Andere Themen wurden jedoch kaum bis gar nicht behandelt und jenseits der Nominierung und Festlegung als Fokusthema wurden keine weiteren großangelegten Aktivitäten umgesetzt. Dies hing auch damit zusammen, dass es keine Regeln oder Arbeitspläne im Umgang mit den Fokusthemen gab, aber auch dass – wie bereits angesprochen – die Finanzierung unzureichend war.

Eine Zukunft für das globale Chemikalienmanagement nach 2020?

Weil bereits 2015 deutlich wurde, dass SAICM nicht zum gewünschten Ergebnis bis 2020 führt, wurde auf der vierten internationalen Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICCM4) im Jahr 2015 die Vorbereitungen für eine Erneuerung des Mandats und eine Verbesserung der Mechanismen getroffen. Ein neues SAICM – auch unter dem Titel SAICM-Beyond-2020 gehandelt – sollte auf ICCM5 unter deutscher Präsidentschaft in Bonn im Jahr 2020 verhandelt und beschlossen werden. Dafür wurde ein intersessionaler Prozess in Leben gerufen, ein Prozess, der es ermöglicht, sich neben den offiziellen Konferenzen zu treffen. Dieser Prozess hatte das Mandat, Empfehlungen für ein SAICM-Folgeabkommen zu entwickeln. Alle Stakeholder sollten die Möglichkeit haben, an dem Intersessional Process teilzunehmen. Schwerpunkte bildeten unter anderen eine bessere Überprüfung und eine effektivere Überwachung der Beschlüsse, wofür geeignete Indikatoren erarbeitet werden sollten. Insgesamt sollte die wissenschaftliche Basis für die Chemikalienpolitik gestärkt werden. Gerade von zivilgesellschaftlicher Seite wurden verbindliche Staatenberichte gefordert, gegebenenfalls orientiert an zuvor abgegebenen, ebenfalls verbindlichen Selbstverpflichtungen. Auch sollten effektivere Regeln für den Umgang mit neuen Themen geschaffen werden. Nichtregierungsorganisationen forderten darüber hinaus, im Rahmen von SAICM rechtsverbindliche Elemente festzulegen beziehungsweise Mechanismen zu verankern, die globale Regulierungen schädlicher Chemikalien initiieren, für Chemikalien, die derzeit nicht durch bestehende Übereinkommen abgedeckt sind. Auch hatten diverse Länder des globalen Südens deutlich gemacht, dass sie einem neuen Abkommen nur dann zustimmen werden, wenn sie bei dessen Umsetzung finanziell unterstützt werden.

Drei Meetings des Intersessional Process fanden zwischen 2017 und 2019 statt, sowie eine Open-Ended Working Group im Jahr 2018. Ein viertes Meeting war für 2020 vor der ICCM5 angesetzt. Im März 2020 entschied das SAICM-Bureau sowohl die IP4 (Vierte Treffen des Intersessional Process) als auch die ICCM5 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erst auf 2021 zu verschieben und im Januar 2021 aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Das SAICM Bureau wollte sicherstellen, dass beide Treffen als Präsenzveranstaltung stattfinden können. Um die Zeit, die durch die Verschiebung der IP4 und ICCM5 entstanden ist, zu nutzen, wurden virtuelle Arbeitsgruppen (VWGs, Virtual Working Groups) eingerichtet. Die VWGs sollten dabei den eigentlichen Verhandlungsprozess der IP4 nicht ersetzen, sondern boten vielmehr die Möglichkeit für die Diskussionspunkte, um ein SAICM-Beyond-2020 zu sensibilisieren und eine breite Diskussion ermöglichen. Zusätzlich fand im Juni 2021 das erste Berlin Forum für Chemikalien und Nachhaltigkeit statt. Auf diesem virtuellen Event trafen sich verschiedene hochrangige Vertreter*innen von Staaten und anderen Stakeholdergruppen und bekannten sich zur Notwendigkeit eines nachhaltigen Chemikalienmanagements.

Im Frühjahr 2022 wurde dann das vierte Treffen des Intersessional Process - die IP4 - für September in Bukarest angekündigt. Das Treffen zeichnete sich zum einen dadurch aus, dass der Prozess wieder stark an Dynamik gewann und alle Beteiligten auf ein neues Abkommen hinarbeiteten. Zum anderen aber auch durch einen inhaltlichen Dissens, der schlussendlich auch dazu führte, dass das Treffen nicht zu Ende geführt werden konnte. Der dort erarbeitete Text war durchsetzt mit Klammern und alternativen Textvorschlägen. Da die IP4 ihr Mandat nicht erfüllen konnte, fertige Empfehlungen für ein SAICM-Folgeabkommen an die mittlerweile für September 2023 datierte ICCM5 zu senden, wurde ein weiteres Treffen im Frühjahr 2023 in Nairobi durchgeführt. Auch hier konnten die Arbeiten nicht abgeschlossen werden. Zu groß ist der Dissens bei den Stakeholdern zu zentralen Punkten wie dem Level der Ambitionen und der Finanzierung des künftigen Chemikalienmanagements. Ein weiteres Treffen wurde direkt vor der ICCM5 in Bonn angesetzt, um einen Text zu erarbeiten, der keine Klammern und Alternativvorschläge mehr enthält und über den weitgehend Konsens besteht.

Im September 2023 – einen knappen Monat vor der eigentlichen ICCM5 – wurde ein zweites Berlin Forum für Chemikalien und Nachhaltigkeit organisiert. Ziel war es, kurz vor den entscheidenden Verhandlungen noch einmal politischen Willen zu mobilisieren und die Notwendigkeit eines neuen ambitionierten Chemikalienmanagement deutlich zu machen. 

Als deutsche Zivilgesellschaft haben wir in Vorbereitung des Folgeabkommens und um das Momentum auch während der Corona-Pandemie weiter zu halten, im November 2021 die virtuelle, zivilgesellschaftliche Konferenz „Tomorrow without Toxics“ organisiert. Außerdem veranstalteten wir im September 2023 – direkt vor der ICCM5 – eine zivilgesellschaftliche Vorbereitungskonferenz in Bonn.