Ohne Geld – ohne Zukunft?

Der Artikel erschien zuerst im Rundbrief 3/2025

An der fehlenden Finanzierung droht das internationale Chemikalienmanagement wieder zu scheitern

Hunderte Stakeholder kamen Ende Juni in Punta del Este, Uruguay, zur ersten Open-Ended Working Group (OEWG) des Global Framework on Chemicals (GFC) zusammen. Das erste Präsenztreffen nach anderthalb Jahren im neuen Rahmenwerk sollte die kommende Internationale Konferenz vorbereiten und Einblicke in die laufenden Prozesse geben. Dabei wurden schnell wesentliche Probleme deutlich. Doch Lösungen wurden gar nicht erst diskutiert – eine verpasste Chance für das internationale Chemikalienmanagement.  

In den vier Tagen und vorgelagerten Workshops lag der Fokus auf der Berichterstattung und der Weiterentwicklung der Implementierung des GFCs. Die Tagesordnung orientierte sich an den Resolutionen aus der Weltchemikalienkonferenz 2023 in Bonn, wo das Global Framework on Chemicals verabschiedet worden war. Allerdings blieben Lücken bestehen, die aus zeitlichen Gründen nicht geschlossen werden konnten. Beispielsweise umfasste dies die Erarbeitung von Indikatoren, eines Gender Action Plans, aber auch die Frage danach, wie mit internationalen Problemen mit großem Handlungsdruck umgegangen werden sollte. Die Resolutionen umfassten Aufträge und Mandate, für das weitere Vorgehen. Die Teilnehmer:innen der OEWG sollten Einblicke in laufende Prozesse erhalten und die kommende Internationale Konferenz vorbereiten.

Allerdings war das Mandat der OEWG kurz und vage und es blieb offen, inwiefern das Gremium befugt ist, auch Entscheidungen und Resolutionen zu beschließen. Daher war die OEWG geprägt von der Berichterstattung zu den einzelnen laufenden Prozessen, die als Tagesordnungspunkte aufgerufen wurden. Danach hatten die Stakeholder lediglich die Möglichkeit, ihre Perspektive dazu abzugeben. Auch bei entgegenstehenden Positionen gab es keine Diskussionen oder Verhandlungen. Sicher werden einzelne Impulse aus der OEWG in laufende Prozesse einfließen, aber es ist unklar, wie genau. Am Ende wurde ein Abschlussbericht verabschiedet, der die verschiedenen Perspektiven wiedergibt. Auch Resolutionen oder Empfehlungen für die erste Internationale Konferenz (IC1) des GFC blieben aus. Diese soll im November 2026 stattfinden. Hier sollen die bestehenden Lücken des GFC final geschlossen und über den weiteren Verlauf der Implementierung entschieden werden.

Neues Rahmenwerk, alte Probleme

Eines der größten und drängendsten Probleme ist die fehlende Finanzierung für das internationale Chemikalienmanagement. Bereits der Strategic Approach to International Chemicals Management (SAICM), Vorgänger des GFC, litt an starker Unterfinanzierung. Dies war auch der Hauptgrund, warum die in SAICM gesetzten Ziele nicht erreicht wurden. Das Sekretariat des GFC ist ebenfalls dramatisch unterfinanziert. Die freiwilligen Beiträge von Staaten und der Industrie reichen nicht aus, um alle Stellen zu finanzieren. Ab 2026 ist die Finanzierung ungewiss, sodass alle Stellen des GFC-Sekretariats nur bis Ende dieses Jahres befristet sind. Das Sekretariat ist bereits aktuell nur eingeschränkt arbeitsfähig. Sollte sich die finanzielle Lage nicht verbessern, wird auch das GFC keine Wirkung entfalten. Die Unterfinanzierung umfasst darüber hinaussämtliche Aktivitäten – auch die Finanzierung der ersten Internationalen Konferenz Ende 2026 ist noch nicht sichergestellt.

Diskussionen darum, wie das GFC solide finanziert werden könnte, kamen immer wieder auf. Forderungen, dass die klassischen Geberländer mehr Geld geben, der Kreis der Geberländer erweitert, mehr Beiträge der Industrie oder institutionalisierte Beiträge geleistet werden müssten, gibt es ebenso wie Ideen zur Schließung der Finanzierungslücke. Aber eine Einigung erfolgte nicht – auch bedingt durch das unklare Mandat der OEWG und fehlende wirkliche Verhandlungen. So bleibt ein grundlegendes und schwerwiegendes Problem bestehen.

Lichtblick GFC-Fonds?

Auf der Weltchemikalienkonferenz 2023 wurde ein eigener Fonds gegründet, um das Rahmenwerk und die Implementierung zu unterstützen. Der Vorstand des GFC-Fonds hat seine Arbeit aufgenommen. Auf der OEWG wurden die bisherige Arbeit des Boards und die ersten Förderungen vorgestellt. Dass der Bedarf an Finanzierung für Projekte groß ist und es ein großes Interesse gibt, zeigen über 100 eingereichte Projektanträge aus 77 verschiedenen Ländern. Schlussendlich wurden in dieser ersten Runde jedoch nur vier Projekte mit elf beteiligten Ländern bewilligt, die mit je 800.000 Dollar gefördert werden. Damit sind insgesamt 3,2 Millionen Dollar auf dem Fonds, der 28,5 Millionen Dollar umfasst, vergeben. Die nächste Förderrunde soll noch in diesem Jahr starten, wobei die Richtlinien für die Förderung präzisiert werden sollen. Viele Stakeholder kritisierten die zu hohen Hürden für die Antragstellung sowie neue durch das Board gesetzte Kriterien, die nicht abgestimmt wurden. Diese Kriterien schlossen beispielsweise sogenannte High-Income-Countries als nicht förderfähig aus. Einige Staaten forderten hingegen, dass Entwicklungsländer und Schwellenländer uneingeschränkten Zugang zum Fonds haben sollten. Doch auch im Fonds zeigt sich das generelle Problem der Finanzierung: Weitere Zahlungen von Gebern in den Fonds blieben aus. Seit der Gründung des Fonds auf der Weltchemikalienkonferenz in Bonn 2023 und der maßgeblichen Anstoßfinanzierung in Höhe von 20 Millionen Euro durch Deutschland sind nur kleinere Beträge durch Staaten dazugekommen.

Priorisierung statt breiter Adressierung

Anstelle von fruchtbaren Diskussionen über neue Finanzierungsmöglichkeiten und Ressourcenmobilisierung lag der Schwerpunkt bei der OEWG darauf, die nächsten Umsetzungsschritte zu priorisieren. Am deutlichsten wurde das bei den Diskussionen um die sogenannten Issues of Concern. Auf der Weltchemikalienkonferenz 2023 wurde sich darauf verständigt, die Emerging Policy Issues and other Issues of Concern (IoC) – Schwerpunktthemen, mit internationalem Handlungsdruck –, die unter SAICM nominiert wurden, auf einer Interimsbasis im GFC zu behalten. Über den weiteren Umgang mit diesen acht Fokusthemen soll auf der IC 1 entschieden werden. Auch wurde beschlossen, dass die IoCs und die bisherige Arbeit zu ihnen evaluiert werden und Empfehlungen für den weiteren Umgang gegeben werden.

Im April dieses Jahres hat die IOMC einen Bericht über den Arbeitsstand der einzelnen IoCs veröffentlicht und Empfehlungen zum weiteren Umgang gegeben. Diese Empfehlungen wurden auf der OEWG diskutiert, einzelnen wurde zugestimmt, anderen maßgeblich widersprochen. Für einen Verbleib aller IoCs unter dem GFC sprachen sich neben der Zivilgesellschaft nur wenige Stakeholder aus. Während der Verbleib von sogenannten Ewigkeitschemikalien (PFAS), und endokrinen Disruptoren (EDCs), Nanomaterialien und Arzneimitteln in der Umwelt ziemlich unstrittig war, wurden die IoCs „Gefährliche Substanzen im Lebenszyklus von Elektronik“ und „Chemikalien in Produkten“ mehrheitlich eher als Themen gesehen, die innerhalb eines Implementierungsprogrammes adressiert werden sollten. Für den Verbleib des IoCs „Blei in Farben“ unter dem GFC sprach sich auch die Mehrheit der Stakeholder aus. Zudem wurde vorgeschlagen, den IoC auf alle Anwendungen und Produkte mit Blei auszuweiten. Auch das IoC der „Hochgefährlichen Pestizide“ wurde kontrovers diskutiert. Während einige Stakeholder dieses Thema nicht länger als Schwerpunkt behandelt sehen wollten, da die Weltchemikalienkonferenz bereits eine Globale Allianz zu hochgefährlichen Pestiziden beschlossen hat, sahen andere in dieser Allianz gerade ein wichtiges Instrument, um das IoC wirksam zu adressieren.

Aktuell ist kein IoC ausreichend adressiert oder annähernd gelöst. Dies hing auch in der Vergangenheit mit fehlender Finanzierung, fehlenden Ansätzen zur Bearbeitung und Arbeitsplänen zusammen. Damit die IoCs nicht nur auf dem Papier weiter existieren, braucht es dringend Ressourcen, auch das zeigte der Bericht der IOMC und bereits vorhergehende Evaluationen unter SAICM. Anstatt aber darüber zu diskutieren, welche Wege es gibt, neue Mittel zu generieren, wurden Priorisierungsdiskussionen angestoßen.

Wie weiter?

Das GFC krankt nicht nur an fehlender Finanzierung, sondern auch am politischen Gegenwind einzelner Staaten. Neben den Ausweich-Diskussionen beispielsweise bei den Issues of Concern, gab es auch immer wieder Versuche, bestehende Mandate anzugreifen. Sowohl beim Fonds, dem Gender Action Plan als auch bei der Allianz zu hochgefährlichen Pestiziden stellten einzelne Stakeholder immer wieder getroffene Beschlüsse und Resolutionen aus der Weltchemikalienkonferenz infrage. Explizit beim Gender Action Plan wurde auch eine bereits beschlossene Sprachregelung infrage gestellt. Der politische – Wandel auf der Weltbühne kommt natürlich auch im Chemikalienmanagement an. Laufende Prozesse sollten ausgebremst werden mit dem Verweis, dass Entschlüsse erst bei der IC1 gefällt werden können. Damit würden weitere anderthalb Jahre verloren gehen.

Am Ende der OEWG wurde noch der Tagesordnungspunkt zur Vorbereitung der ersten internationalen Konferenz im GFC aufgerufen. Die Ausführungen blieben knapp und beschränkten sich auf die Ankündigung des groben Zeitraums, Ende 2026. Das Sekretariat bat alle Stakeholder zu prüfen, inwiefern sie die Konferenz mit Mitteln und Ressourcen unterstützen können und zugleich zu klären, ob jemand die Gastgeberrolle übernehmen könnte. Sofern sich kein Gastgeber findet, wird die Konferenz in einem UN-Komplex stattfinden. Auf der OEWG wurden keine offenen Probleme gelöst, und ein klarer Weg nach vorn ist nicht erkennbar. Sicher ist nur: Es bleibt noch viel zu tun.

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